Derjenige, der Gott gefällt

Prof. Dr. Jung-Sook Lee

Hebräer 11,5.6
Leitverse 11,5.6

„Durch den Glauben wurde Henoch entrückt, damit er den Tod nicht sehe, und wurde nicht mehr gefunden, weil Gott ihn entrückt hatte; denn vor seiner Entrückung ist ihm bezeugt worden, dass er Gott gefallen habe. Aber ohne Glauben ist´s unmöglich, Gott zu gefallen; denn wer zu Gott kommen will, der muss glauben, dass er ist und dass er denen, die ihn suchen, ihren Lohn gibt.“

Im Mai 2016 war ich bei UBF Bonn und bin euch begegnet und durfte mit euch geistliche Gemeinschaft haben. Dabei durfte ich er-kennen, dass Gottes Gnade und sein Trost unter euch sind. Seitdem habe ich bei jeder Gelegenheit und viel über die UBF Gemeinde und ihre Missionare gesprochen. Anlässlich der Teilnahme an der Global Korean Diaspora Mission Conference in Frankfurt wollte ich zu allererst die UBF Gemeinde noch einmal besuchen, die dortigen Missionare wiedersehen und mich mit ihnen über das Wirken Gottes austauschen. Nun darf ich euch nicht nur wiedersehen sondern habe sogar die Gelegenheit, bei euch das Wort Gottes zu predigen. Ich grüße euch alle mit der Dank-barkeit und dem Frieden Gottes.

Im vergangenen Jahr geschahen viele Dinge, besonders in Korea. Es war eine Zeit der Enttäuschung und der Verzweiflung. Nun ver-suchen wir, wieder Hoffnung zu finden. Es ist jedoch nach wie vor keine einfache Zeit, sondern eine Zeit mit vielen Problemen, wie dem Gleichgewicht zwischen dem Wirtschafts-wachstum und dem Gemeinwohl, der Be-drohung durch Nordkorea und den politischen Spannungen mit den benachbarten Groß-mächten. Vom letzten Jahr bis zu diesem Früh-jahr zweifelten wir selber an der Wieder-herstellung unseres Landes. Dabei spaltete sich auch die konservative Kirche in Korea in politische Lager.

Es gab zwar keine Streiterei innerhalb der Kirchen. Aber nicht wenige besonders unter den jungen Menschen waren vom politischen Konservatismus der Ältesten enttäuscht, ver-ließen ihre Gemeinden und suchten andere Gemeinden oder sogar eine andere Religion. Eine große Anzahl von Christen in Korea widersteht jetzt der Gesetzgebung des Anti-diskriminierungsgesetzes, damit es in dem Gesetzesentwurf außer der Gleichstellung der Bisexualität keine Artikel über die „Gleich-stellung der Geschlechter“ oder „Homo-sexualität“ geben wird. In diesem Prozess werden die Christen als diejenigen miss-verstanden, die um des Schutzes der biblischen Werte willen die Menschenrechte missachten. Offensichtlich befindet sich das Christentum in Korea in einer schwierigen Zeit.

Europa aber hat all diese Begebenheiten schon hinter sich. Die Beziehung zwischen der Religion und der Politik, die Frage nach den Menschenrechten und vieles mehr hat Europa bereits erfahren. Die Folgen davon sind leider eine rasche Säkularisierung und religiöse Gleichgültigkeit. Ihr, die ihr in Europa lebt, geht im Vergleich zu uns darum bereits einen Schritt voran. Als Immigranten und als Teil der Dias-pora könntet ihr die Dinge, die die Europäer seit langem für selbstverständlich halten und die sie nicht mehr hinterfragen, in Frage stellen und sie herausfordern. Es kann sein, dass Gott euch genau deswegen hier leben lässt.

Wenn wir Römer 11 betrachten, sagt Paulus, dass die Rettung der Heiden die Fügung Gottes war, dass nämlich die Juden, die das Evan-gelium als allererste empfangen aber doch den Glauben verlassen hatten, dadurch neidisch werden und wieder zu Gott zurückkehren sollten.

Ihr seid die nach Europa Ausgesandten, die wie die Heiden im Römer 11 die Europäer, die zuerst das Evangelium empfangen haben, wieder zu Gott bringen sollen. Ihr sollt hier Gottes Gnade und seinen Frieden weitergeben. Darüber hinaus sollt ihr für die Christen wie mich in Korea beten und uns eure Weisheit aus euren Erfahrungen mitteilen.

Dieses Jahr ist das 500. Reformationsjubiläum. Dieses Jahr kommt euch bestimmt besonders vor, weil ihr dieses 500. Reformationsjubiläum direkt im Land der Reformation feiert. Das 500. Reformationsjubiläum wird in vielen Fällen mit „allein durch den Glauben – sola fide“ zusam-mengefasst. Darum möchte ich heute mit euch über den Glauben aus Hebräer 11,5.6 nachdenken. Gott möge mir und euch helfen, durch den Glauben Gott zu gefallen.

Wie ihr schon wisst, ist Hebräer 11 das Kapitel über den Glauben. Hier wird der Glaube definiert und werden die Glaubenszeugen vorgestellt, die diesen Glauben durch ihr Leben praktiziert haben. Unter ihnen wollen wir beson-ders über Henoch in den Versen 5 und 6 nachdenken. Davor möchten wir das Kapitel 11 kurz betrachten, um den Hintergrund besser zu verstehen. Vom Inhalt her wäre es passender, das Kapitel 11 bei 10,35 beginnen zu lassen und bei Vers 3 aus Kapitel 12 zu beenden. Jean Calvin sagte auch in seinem Kommentar, dass der jetzige Beginn des Kapitels 11 nicht richtig sei.

In Hebräer 10,38.39 wird aus dem Buch Habakuk 2,4 zitiert: „Der Gerechte aber wird durch seinen Glauben leben“. Dies ist auch in Römer 1,17 zitiert und ist der Kern des Protes-tantismus, wie Luther gesagt hat. Früher glaubte Luther, dass man durch seine eigenen Anstrengungen gerechtfertigt werden könnte. Aber er erkannte, dass die Rechtfertigung allein durch den Glauben aufgrund von Gottes Gnade kommt. Diese Zuversicht wurde die Antriebs-kraft dafür, die Reformation zu beginnen und zu leiten.

Was ist dann der Glaube? Und was bedeutet, durch den Glauben zu leben? Hebräer 10,38.39 besagt, dass diejenigen, die durch den Glauben leben, ihre Seele retten. Aber diejenigen, die „zurückweichen“, werden Gott nicht gefallen, sondern werden verdammt. Hier steht dem Leben durch den Glauben der starke Ausdruck „zurückweichen“ gegenüber. Im sprachlichen Gegensatz dazu bedeutet durch den Glauben zu leben „vorwärts zu ziehen“.

Diejenigen, die den Glauben haben und durch den Glauben leben, sind diejenigen, die vorwärts ziehen. Wenn sie aber nicht mit dem Glauben leben, sind sie diejenigen, die zurückweichen. Das Wort ‚zurückweichen‘ stammt vom Griechischen „hypostolēs“ (ὑπο-στολῆς) und bedeutet, dass man von Furcht ergriffen wird und aus Angst vor etwas zurück-schreckt.

In Bezug auf die vorherigen Verse und den Zustand in Habakuk 2 meint es, dass man dann nicht mit dem Glauben vorangeht, wenn Leiden, Schwierigkeiten oder Bedrängnisse bevor-stehen. Es meint, dass man nicht nur von der Angst überwältigt wird, sondern sich auch rückwärts bewegt.

Habt ihr solche Erfahrungen gemacht? Ich habe Angst vor Hunden. In Korea gibt es immer noch viele Besitzer, die mit ihren Hunden spazieren gehen ohne sie anzuleinen. Neulich überstieg die Zahl der Haustiere in Korea zehn Millionen. Natürlich ist der Hund das liebste Haustier. Ich mag es zwar sehr, spazieren zu gehen, aber wage es leider – alleine wegen der Angst vor Hunden – nicht. Die Besitzer der Hunde kom-men langsam zu mir, indem sie immer sagen: „Mein Hund beißt nicht.“ Aber der Hund stürmt auf mich zu! Dann weiche ich zurück. In einer solchen Situation zeigt sich, dass ich keinen Glauben habe. Ich habe keinen Glauben, dass der Hund mich nicht beißen würde. Auch keinen Glauben an das, was der Besitzer des Hundes sagt. Ich habe keinen Glauben, dass mich der Besitzer im passenden Moment vor seinem Hund schützen würde. Darum weiche ich zurück.

Wenn wir uns in einer schwierigen Lebenslage befinden und daher zurückweichen, denken wir: „Oh! Ich habe keinen Glauben.“ Hebräer 11,1 definiert den Glauben: „Es ist aber der Glaube eine feste Zuversicht auf das, was man hofft, und ein Nichtzweifeln an dem, was man nicht sieht.“ Wenn ich geglaubt hätte, dass mich der Hund nicht beißen würde, dann wäre ich mit Frieden an ihm vorbeigegangen, in der festen Zuversicht, dass die Hoffnung schon erfüllt sei. Ich würde seelenruhig am Hund vorbeigehen, als ob ich einen festen Beweis und als ob ich etwas gesehen hätte, was noch nicht ge-schehen ist: Dass der Besitzer erscheint und seinen Hund zurückhält, auch wenn der Hund auf mich zustürmt. Der Glaube ist so.

Der Wert des wahren Glaubens wird dann offenbart, wenn man sich in einer schwierigen Lage befindet oder Verfolgung leidet. Wir mögen das “Vater unser“ sehr gerne und sprechen es auswendig, besonders wegen des Satzes: „Führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen.“ Wenn wir unter allen Umständen unseren Glauben halten und nicht zurückweichen, sondern vorwärts ziehen, werden wir unsere Seelen retten. Wir können nicht an Hunde oder ihre Besitzer glauben, aber wir dürfen mit dem absoluten Glauben zu Gott kommen, der für unsere Seelen einsteht. So werden unsere Seelen gerettet.

Wie können wir das tun? Ich denke, dass die Antwort sich in den Versen 5 und 6 findet. Henoch, gemäß Vers 5 ein Zeuge des Glau-bens, wurde entrückt, ohne den Tod zu sehen und ging zu Gott. Nur Henoch und Elija haben den Segen der Entrückung empfangen. Habt ihr Angst vor dem Tod? Ich denke, dass wir viel mehr vor dem Prozess des Sterbens Angst haben als vor dem Tod selbst.

Der erste Sohn von Kain hieß Henoch, aber dieser ist ein anderer Henoch. Nachdem Adam und Eva ihren Sohn, Abel, verloren hatten, bekamen sie einen anderen Sohn, Set. Dieser Henoch ist der Nachkommen von Set. Diese Geschichte kommt in Genesis 5,18-24 vor. Be-sonders Genesis 5,24 sagt: „Und weil er mit Gott wandelte, nahm ihn Gott hinweg und er ward nicht mehr gesehen.“ Hebräer 11,5 sagt, dass er derjenige ist, der Gott gefallen hat. Wie wunderbar ist das! Wie könnte man das mit einem Wort zusammenfassen? Wie konnte Henoch Gott gefallen? Vers 6 sagt, „Aber ohne Glauben ist’s unmöglich, Gott zu gefallen; denn wer zu Gott kommen will, der muss glauben, dass er ist und dass er denen, die ihn suchen, ihren Lohn gibt.“ Wie können wir Gott gefallen? Durch den Glauben. Ganz einfach. Nicht zurückweichen, sondern vorwärts ziehen. Woran sollen wir denn glauben und vorwärts ziehen?

Erstens: wir sollen daran glauben, dass Gott ist.

Das ist selbstverständlich. Aber es kann auch schwierig sein. Schauen wir einmal auf die-jenigen, die nicht gläubig sind. Für diejenigen, die nur daran glauben, was sie sehen können, ist es sehr schwierig, an den unsichtbaren Gott zu glauben. Existiert dann alles, was wir sehen?

Zweitens: wir sollen glauben, dass Gott uns den Lohn gibt, wenn wir ihn suchen.

Was ist damit gemeint, dass Gott denen ihren Lohn gibt? Meint dies hier den weltlichen Lohn? Ist mit dem Lohn, den Gott gibt, ein Geldpreis, den wir als Gewinn erhalten, gemeint? Die Wohlstandtheologie erinnert uns daran, dass wir ein materielles Wesen sind und rechtfertigt so unser materielles Denken.

Sicherlich sind wir ein materielles Wesen. Wenn wir uns aber daran erinnern, dass wir ein geistliches Wesen sind und dass Gott Geist ist und dass wir Gott im Geist und in der Wahrheit anbeten sollen, werden wir diesen Vers nicht im Sinne der Wohlstandtheologie verstehen. In der Bibel gibt es vielfältige Belohnungen, z. B. Kronen: die Krone der Gerechtigkeit (2.Timo-theus 4,7.8), die Krone des Sieges (2.Timo-theus 2,5), die Krone, die man im Angesicht der Feinde erhält (das “Mahl“ in Psalm 23) usw. Wenn wir am Glauben festhalten, könnte es sein, dass wir materiellen Lohn empfangen. Dieser Lohn könnte auch etwas teures, funkeln-des Materielles sein. Aber was der Vers 6 in Wirklichkeit sagen will, ist nicht das.

Wenn wir unter dem Lohn solche Dinge ver-stehen würden, gingen wir wieder in die Zeit vor die Reformation zurück. Hier ist es wichtig, dass Gott derjenige ist, der den Lohn gibt. Er wird bestimmen, wem er den Lohn geben wird. Gott beobachtet uns nämlich sehr genau, wie wir an ihn glauben und wie wir leben. Gott ist Gott. Er wird sein, der er sein wird. Er wird die Men-schen sehen und prüfen. Bei den olympischen Spielen sehen wir öfters Streitigkeiten über die Entscheidung der Schiedsrichter. Erinnert ihr euch an den letzten Lauf der Sportlerin Yu-Na Kim? Es war sehr schwer, diese Entscheidung anzunehmen. Das Urteil sollte von Anfang an bis zum Ende gerecht und nachvollziehbar sein. So kann ein Urteil vollkommen richtig sein.

Mit der Treue Gottes, der uns behütet und nicht schläft (Psalm 121), gibt er uns unseren Lohn, indem er uns beobachtet. Wir sollen an solch einen Gott glauben. Zusammenfassend sollen wir daran glauben, dass Gott als der dreieinige Gott existiert. Das bedeutet, dass wir aner-kennen und annehmen und glauben, dass un-ser dreieiniger Gott (Vater, Jesus Christus und der Heilige Geist) existieren.

Außerdem gefallen wir Gott, wenn wir glauben, dass Gott existiert und uns wie seinen Augapfel behütet und uns am jüngsten Tag den Lohn gibt, sodass wir leben werden. Wer weiß, ob wir nicht auch wie Henoch ohne den Tod zu sehen entrückt werden könnten, wenn wir so leben werden? Während der Vorbereitung auf diese Botschaft durfte ich wagen, diese Hoffnung zu haben. Wenn der Glaube an die Existenz Gottes der Anfang unseres Glaubens ist, wird der Glaube, den Lohn Gottes zu empfangen, die Vervollkommnung des Glaubens sein. In diesem Prozess befinden wir uns, während wir viele Schwierigkeiten erleben müssen.

Während wir durch den Glauben leben, brauchen wir Geduld. Daher besagt Hebräer 12,2.3 in der Schlussfolgerung dieses Kapitels über den Glauben, dass wir zu Jesus Christus, dem Anfänger und Vollender des Glaubens, aufsehen sollen, der das Kreuz erduldete und die Schande gering achtete, obwohl er hätte Freude haben können. Wenn wir zu Jesus aufsehen, dürfen wir alles ablegen, was uns beschwert, und die Sünde, die uns ständig umstrickt, und mit Geduld in dem Kampf laufen, der uns bestimmt ist.

Matthäus 5,11.12 ermutigen uns, dass wir selig sind und im Himmel reichlich belohnt werden, wenn uns die Menschen um Jesu willen schmähen und verfolgen. Darum sollen wir uns freuen, wenn auch die Menschen uns um Jesu willen schmähen und verfolgen. Ich bete dafür und segne euch, dass ihr an Gott fest glaubt, der euch euren Lohn gibt, und ihm gefallt.

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